Weg mit der plakativen Forderung nach Wissenschaftlichkeit! Standard-Fragebögen sind nicht zu empfehlen. Anonymität ist wichtig. Mitarbeiter können Führungsqualität am besten einschätzen.
Mit 7 streitbaren Thesen skizziern wir, wie wir über das Instrument Führungsfeedback denken. Eingeflossen sind zahlreiche Projekterfahrungen, am eigenen Leib durchgeführte Führungsfeedbacks und Diskussionen mit geschätzten KollegInnen. Ich positioniere mich gegen das Mantra der Wissenschaftlichkeit, gegen Standard-Fragebögen, für Anonymität und einen gut durchdachten Folgeprozess.
Mit diesen (sicher streitbaren) Thesen, wollen wir zeigen, wie wir über das Instrument Führungsfeedback denken. Eingeflossen sind zahlreiche Projekterfahrungen, „am eigenen Leib“ durchgeführte Führungsfeedbacks und Diskussionen mit geschätzten KollegInnen.
Was ist gute Führung? Zahlreiche Untersuchungen, Studien und Forschungen widmeten sich bereits der Frage, was die Kriterien guter Führung sind. Besonders die amerikanische Managementliteratur liefert regelmäßig „Lösungen“. Unsere Meinung ist: Was „gute“ Führung bewirken soll und ausmacht hängt systemisch von mehreren Faktoren ab:
Unsere Meinung: All diese und noch weitere Aspekte sind so organisationsspezifisch, dass Standard-Fragebögen schlichtweg ungeeignet sind.
Gelegentlich ist der Anspruch auf ein wissenschaftlich validiertes Instrument zu vernehmen. Dahinter steckt der nachvollziehbare Wunsch „alles richtig zumachen“. Doch ist das auch praktikabel? Unsere Meinung ist ganz klar: Nein.
Das Beste, was dieses Instrument bewirken kann, ist die Führungskraft und ihr Team zum Reflektieren über das Führungsverhalten und dessen Wirkungen zu bringen: Was kommt wie an, was wirkt entsprechend der Intention und was nicht. Das Beste ist, wenn Führungskraft und Team in ein gutes Gespräch mit Nachwirkung kommen. Wenn die Führungskraft anschließend auch nur in einem für das Team (!) relevanten Punkt ein wahrnehmbar verbessertes Führungsverhalten zeigt, dann ist Ausstrahlung auf weitere Themen garantiert. Sei es in Form von mehr Vertrauen in die Führungskraft oder besserer Akzeptanz einer ihrer Eigenheiten oder dem gewachsenen Mut, weitere Punkte anzusprechen. Mit anderen Worten: Die Beziehung zwischen Führungskraft und Team entwickelt sich weiter.
Da kaum einer von uns gleichzeitig an mehreren Kommunikations- / Verhaltensmustern arbeiten kann, reicht es aus, wenn die Auswertung des Führungsfeedbacks einen bis wenige zu verändernde Aspekte für die Führungskraft und ihr Team liefert. Damit schließt sich jeder Anspruch nach Vollständigkeit an Änderungsen des Führungsverhaltens aus. Im (gar nicht so seltenen) konkreten Fall kann eine einzige gute Frage ausreichen, um die gewollte Reflexion in Gang zu bringen.
Die Anonymität sorgt zunächst einmal für Vertrauen auf Mitarbeiterseite. „Aus der Deckung“ sollte zuerst einmal die Führungskraft gehen. Ist ein (moderiertes) Auswertungsgespräch mit Team und Führungskraft Teil des Folgeprozesses und nimmt die Führungskraft dabei das Feedback an, dann werden häufig auch solche Mitarbeiter mutig, die bisher zurückhaltend waren. Dann kommen beide Seiten direkt und ungeschminkt (nicht anonym!) ins Gespräch und zu Vereinbarungen. Insofern ist die Anonymität ein Gebot der Fairness.
Hinter diesem Argument verbirgt sich häufig die Sorge, dass Mitarbeiter den Schutz der Anonymität „ausnutzen“, um ihre Führungskraft abzustrafen. Es wäre fatal, diese Sorge einfach beiseite zu wischen. Wir stellen in solchen Diskussionen Fragen und geben Antworten, z. B.:
Durch ein Führungsfeedback wird nicht die Führungskraft bewertet, sondern die Führungsbeziehung zwischen ihr und dem Team thematisiert. Erfahrungen zeigen immer wieder: Diesselbe Führungskraft kann von zwei verschiedenen Teams weit abweichende Feedbacks erhalten. Das entspricht auch der Erkenntnis, dass jeder von uns ein Verhaltenrepertoire hat, aus dem er/sie sich situativ ein geeignetes Verhalten wählt. Insofern sind die Ergebnisse eines Führungskräftefeedbacks völlig ungeeignet für Personalentscheidungen, jedoch ein wichtiges Material für die Entwicklung der Führungsbeziehung. Diese Unterscheidung ist auch noch aus einem zweiten Grund wichtig: Wird im Unternehmen bekannt, dass die Ergebnisse eines Führungsfeedbacks für Personalentscheidungen heran gezogen werden, dann wird entweder von Führungskräften erheblicher Widerstand ausgehen und / oder frateralistisches Verhalten von Führungskräften gegenüber ihren Mitarbeitern gefördert.
Nach unseren Erfahrungen wird dieses Argument von Führungskräften häufig aus Widerstand gegen das Instrument Führungsfeedback. Gerade deswegen ist hier eine offene Diskussion zu empfehlen. Hinter einer solchen Argumentation können sich verschiedene Gedanken verbergen:
Der Folgeprozess kann aus einem Auswertungsgespräch zwischen Coach und Führungskraft und/oder einem durch den Coach moderierten Auswertungsgespräch Team + Führungskraft bestehen. Beides hat den Zweck, einen wertschätzenden und fairen Rahmen zu schaffen, in dem Akzeptanz der Ergebnisse (das Feedback ohne Rechtfertigung oder Relativierung annehmen) ebenso möglich sind wie Vereinbarungen für das künftige Führungsverhalten. Ein solcher Folgeprozess unterstützt die Führungskraft. Bleibt der Führungskraft selbst überlassen, was und wie sie mit den Ergebnissen umgeht, dann verpufft die Wirkung erfahrungsgemäß gerade bei denjenigen Führungskräften, wo eine Veränderung besonders angebracht ist.
12.12.2018