Weg mit der wohlfeilen Forderung nach Wissenschaftlichkeit! Standard-Fragebögen sind nicht zu empfehlen. Benchmarking kann handlungsunwillig machen. Anonymität ist wichtig. Ohne Folgeprozess ist alles nichts.
Mit sieben – durchaus streitbaren – Thesen zur Mitarbeiterbefragung möchten wir unseren Blick auf dieses Instrument beschreiben. Basis sind jahrelange Arbeit in zahlreichen Projekten, Erfolgsgeschichten, Misslungenes, Irrwege, Austausch mit geschätzten Kolleg*innen und Evaluationen.
Standard-Fragebögen haben eine ganze Reihe von Nachteilen:
Andererseits ermöglichen Standard-Fragebögen Benchmarking. Dazu verweisen wir auf These 5.
Immer wieder ist der Anspruch auf ein wissenschaftlich validiertes Instrument zu vernehmen. Dahinter steckt der nachvollziehbare Wunsch „alles richtig zumachen“. Doch ist das auch praktikabel? Unsere Meinung ist klar: Nein. Das Beste, was eine Mitarbeiterbefragung bewirken kann, ist eigentlich sehr einfach: Die Menschen miteinander in Reflexion und Diskussion zu bringen: Wie sind wir wirklich? Was funktioniert derzeit und was (noch) nicht? Wo gibt es Dysfunktionalitäten? Worin liegen unsere Stärken? Worüber müssen wir ernsthaft sprechen?
Und damit sind wir beim entscheidenden Punkt. Eine gut gemachte Mitarbeiterbefragung ist wie ein gutes Gespräch. Dafür braucht es lediglich eine gute Frage. Das hat nichts mit Wissenschaft zu tun, sondern mit Empathie.
Wer sich für Themen und Fragen unter der Oberfläche interessiert, muss im ersten Schritt den Schutz der Anonymität bieten. Nur in diesem Rahmen trauen sich ausreichend viele Menschen, ihre Einschätzungen einzubringen. Und damit werden die aggregierten Einschätzungen auch repräsentativ und folglich zu belastbaren Fakten. Daher ist Anonymität schlicht eine grundlegende Voraussetzung. Ist sie unzureichend oder gar nicht gewährleistet, wird sich das in niedrigen Teilnahmequoten niederschlagen.
Werden mehr als 2 soziometrische Kriterien abgefragt, dann ist eine Anonymitätszusage wenig glaubhaft – auch wenn dahinter eine positive Intention stehen mag. Ein Beispiel: Eine Abteilung hat 20 Mitarbeiter*innen. Werden nun die soziometrischen Kriterien Altersgruppe, Geschlecht, Teil- vs. Vollzeit, Beschäftigtenstatus und Dauer der Betriebszugehörigkeit verwendet, dann reduziert sich das Vertrauen in Anonymitätszusicherungen rasch auf Null.
Unser Empfehlung: Maximal 2 soziometrische Kriterien, und diese binär, verwenden.
Sieht man sich Fragebögen von Mitarbeiterbefragungen an (Wir haben sehr viele gesehen!), so fallen häufig wohlklingende Fragen / Kriterien auf. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch deren Sinnfreiheit.
Ein Beispiel:
Noch ein Beispiel:
Immer wieder beobachten wir diesen Effekt: „Aha, wenn vergleichbare Organisationen ähnliche Ergebnisse haben, dann brauchen wir ja nix zu tun.“ Oder die Ableitung, man müsse nichts verändern, weil man ja überdurchschnittlich performe. So entsteht selbstgewählte Handlungsunfähigkeit.
Wir meinen: Wenn ein Kriterium ein Problem aufzeigt, dann sollte sich die Organisation darum kümmern. Und zwar unabhängig davon, ob andere Organisationen dieses Problem ebenfalls haben.
Häufig hören und lesen wir, dass zunächst einmal diese oder jene Phase abgewartet werden müsse, bevor die Mitarbeiterbefragung starten könne. Also erst einmal die Umstrukturierung und ihre Nachwehen abwarten, die Veränderung in dieser und die Transformation in jener Ecke der Organisation. Da wir mittlerweile in einer Zeit permanenter Veränderungen leben, gibt es auf diese Weise faktisch keinen geeigneten Zeitpunkt mehr. Wenn die Mitarbeiterbefragung eine Möglichkeit für die Organisation sein soll, über relevante Themen in Dialog und Reflexion zu kommen, dann ist jeder Zeitpunkt ein richtiger Zeitpunkt.
Nach unseren Beobachtungen beenden viele Organisationen mit der Präsentation der Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung ebendiese. Damit bleibt jedoch offen, über Konsequenzen zu entscheiden. Die Folgen lassen sich bei der nächsten Mitarbeiterbefragung feststellen: Eine deutlich sinkende Teilnahmequote. Wer nachfragt, kann ein frustriertes „Das bringt ja sowieso nichts.“ hören. Nur vom Wissen um das Meinungsbild wird sich nämlich nichts verändern. Wer ein wirkliches Interesse an Wirkung hat, also mit der Mitarbeiterbefragung die Organisationsentwicklung voranbringen möchte, der muss einen ernsthaften Folgeprozess einplanen.
Dies also sind unsere sieben Thesen zur Mitarbeiterbefragung. Damit möchten wir einerseits Position beziehen und andererseits zu Diskussionen anregen. Und nicht zu vergessen: In einer konkreten Konstellation gilt der Grundsatz „Es kommt darauf an.“ Bei Interesse an einem individuellen Mitarbeiterbefragung freuen wir uns über Ihren Kontakt.
23.03.2021